Am vergangenen Samstag hat der Johannstädter Kulturtreff e.V. anlässlich des im November anstehenden 30. Jahrestags der Maueröffnung und damit der Wende zur interaktiven Vernissage der Fotowanderausstellung „Voll der Osten – Leben in der DDR“ eingeladen, zu der auch der Film „Dresdner Interregnum 1991 – Ein Poem“ gezeigt wurde.

Die Ausstellung „Voll der Osten“ zeigt Bilder des 1954 in Radebeul geborenen und heute in Berlin lebenden Fotografen Harald Hauswald, der für seinen sezierenden und somit zutiefst kritischen Blick auf die DDR-Realität  bekannt wurde, der ihm auch Ärger mit der Stasi einbrachte: In der DDR hatte Hauswald Druckverbot. Doch heute sind es nicht zuletzt seine Fotos, die unser Bild von der Spätphase der DDR prägen. Besonders berührend ist dabei sein spürbares Interesse für Menschen.

Die Fotos Hauswalds – darunter viele Berliner (und leider nicht Dresdner) Straßenszenen – wurden für diese Ausstellung zu Themenblöcken mit Titeln wie „Zärtlichkeit“, „Macht“, „Flucht“, „Jugend“, „Ordnung“ etc. zusammengestellt und durch  kurze Texte von Stefan Wolle, dem heutigen Leiter des DDR-Museums in Berlin, ergänzt.

Vorstellungsrunde (Foto: Meike Weid/Johannstädter Kulturtreff)

Die Eröffnung dieser Ausstellung wurde am Samstag nun zum Ausgangspunkt kollektiver und individueller Erinnerung. Es sollte jedoch nicht nur geschaut und erinnert, sondern auch viel miteinander gesprochen werden. Gesprächsbereit war dabei, um den Austausch der Besucher anzustoßen und zu moderieren. Zu Beginn stellten sich alle Anwesenden in einer großen Runde einander kurz vor. Dabei wurde schnell klar, dass dieses Thema an diesem trüben Tag nicht nur in der DDR sozialisierte Dresdner in den Johannstädter Kulturtreff gelockt hatte, sondern auch sowohl einige in den alten Bundesländern als auch erst nach der Wende geborene Mitbürger*innen. Zur anschließenden Ausstellungsbesichtigung schlossen sich die Besucher dann schon fast von selbst zu sehr gemischten Gruppen zusammen und erzählten einander nicht nur von ihrem Alltag in der DDR, von den guten und schlechten Seiten sowie dem Sein und Schein des realexistierenden Sozialismus. Nein, sie sprachen auch über den damaligen Blick des Westens auf den Osten und vice versa sowie den heutigen auf eine Vergangenheit, von dem viele den Eindruck haben, dass er der damaligen Wirklichkeit nicht gerecht wird, weil die unbestritten negativen Seiten der Diktatur die durchaus auch positiven Seiten des Sozialismus in einer Weise in den Schatten stellen, wie es seinerzeit viele gar nicht erlebt habe. Viele waren trotz eingeschränkter persönlicher Freiheiten und so manchem Mangel nicht unglücklich und lebten ein aus westlicher Sicht vielleicht zwar bescheidenes, aber aus eigener Sicht damals durchaus lebenswertes, komfortables und erfülltes Leben.

Rundgang und Austausch von Erinnerungen: Moderatorin Gabriele Feyler von gesprächsbereit im Gespräch (Foto: Meike Weid/Johannstädter Kulturtreff)

Nach dem Rundgang sahen sich die Besucher bei Kaffee und viel leckerem selbstgebackenem Kuchen – der Kalte Hund wurde hochgelobt und rief seinerseits bei vielen äußerst gute Erinnerungen wach – den Film „Dresdner Interregnum 1991 – Ein Poem“  von Werner Kohlert an, der im Auftrag der Stadt Dresden in den Jahren 1990/91 mit seiner Kamera und öffentlichen Verkehrsmitteln kreuz und quer durch die Stadt gefahren ist, um Dresden zu dokumentieren. Erst 19 Jahre später wertete er das Material aus und schnitt es zu einer einstündigen Zeitreise in eine Stadt im Verfall und Umbruch zusammen. Der Film weckte viele Erinnerungen und Emotionen, die in eine weitere äußerst angeregten Diskussion mündete.

Im Banne von „Dresdner Interregnum 2019 – Ein Poem“ (Foto: Meike Weid/Johannstädter Kulturtreff)

Gesprächsbereit übernahm die Moderation, Begleitung und Strukturierung des Nachmittags. Im Fokus stand die Reflexion und Verständigung mit anderen und die Öffnung der subjektiven Einzelwahrnehmung für das Erleben anderer, um zu einem vollständigeren Bild von der Vergangenheit zu gelangen.
Diese Veranstaltung, die mit der Einladung zum Tanz zu Klängen aus vergangenen DDR-Zeiten wohl erst spät zu Ende ging, ist hoffentlich der Auftakt für noch viele ähnliche Projekte im Stadtteil, denn ohne Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist es schwer, die Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten. Doch Verantwortung für die Zukunft trägt jeder Einzelne von uns!

Wir danken Meike Weid vom Johannstädter Kulturtreff für die Organisation dieser schönen Veranstaltung und allen Besucher*innen für ihre rege Beteiligung!