Am letzten Schultag vor den Sommerferien startete unser neues Dialogprojekt „Ich weiß es besser“ im Garten des Johannstädter Kulturtreffs mit dem Versuch, einen konstruktiven Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten wieder zu ermöglichen – ein hoffnungsvoll stimmender Auftakt.

Die Lage

Wer kennt sie nicht, diese fruchtlosen Debatten in der eigenen Familie, im Freundeskreis und nicht zuletzt in der Öffentlichkeit – zur Flüchtlingskrise, zur Klimakrise, zur Coronapandemie. Jeder und jede meint, selbst am besten zu wissen, welche Maßnahmen die richtigen sind und welche blanker Unsinn. Es scheint nur noch zwei Lager zu geben, jedem wird eine klare Positionierung abverlangt, leise und vorsichtige Zwischentöne werden überhört. „Covidioten“ ist ein Schimpfwort von und für beide Seiten geworden. Aber muss politischer Streit immer gleich mit Abwertung und verbaler Gewalt einhergehen? Die Faktenlage zu allen Krisen ist unüberschaubar geworden, jeder kann Experten und Studien aufweisen, um seine eigene Position zu untermauern. Diese zu überprüfen, ist während einer politischen Auseinandersetzung auf die Schnelle zumeist nicht möglich, und jeder Faktencheck erscheint ohnehin manipulierbar.

Was also tun?

Wäre es da nicht besser und zielführender, einmal genauer hinzuhören, wer eigentlich weshalb welche Ansichten hat? Weshalb fühlt sich der eine von Corona-Maßnahmen in seiner Freiheit eingeschränkt, die der andere für unausweichlich und notwendig hält und sich ihnen daher klaglos und ohne sich seiner Grundrechte beraubt zu sehen unterordnet? Warum heißen die einen Geflüchtete willkommen, während andere mit Angst und Ablehnung reagieren? Und wieso sehen die einen in der aktuellen Klimakrise eine Vorbotin einer großen Klimakatastrophe, die anderen jedoch eine natürliche Schwankung im klimatischen Weltgeschehen? Welchen Einfluss haben eigene biografische Erfahrungen, Prägungen und vielleicht sogar Ängste auf unsere Meinungsbildung? Diese Frage wird im Streit (nicht nur im politischen) leider allzu selten gestellt, da es einfacher ist, Kontrahent:innen moralisch und intellektuell abzuqualifizieren, als sie verstehen zu wollen. Wer aber bereit ist, der Frage, weshalb ein politisch Andersdenkender eigentlich eine andere Meinung hat als man selbst, auf den Grund zu gehen, kann vielleicht auch wieder einen konstruktiven Dialog beginnen, da das Gegenüber nicht mehr als „Covidiot“ ins persönliche gesellschaftliche Abseits gestellt, sondern als ein Mensch mit ernst zu nehmenden Gründen für seine Haltung wahrgenommen wird, der letztlich ja eigentlich ebenso wie man selbst nur das Beste für die Gesellschaft möchte. Die Haltung mag man weiterhin ablehnen, seine Gründe aber vielleicht immerhin nachvollziehen können. Dies ist der Ansatz, den dieses neue Dialogprojekt verfolgt, das auf Prinzipien der Thérapie sociale nach Charles Rojzman beruht.

Moderierte Kleingruppen

In drei moderierten Kleingruppen wurde daher am vergangenen Freitag darüber gesprochen, wie Krisen persönlich erlebt werden und was sie mit uns und unserem Umfeld machen. Im Zentrum standen intensive Selbstreflexion, intensives Zuhören und ein intensives Eintauchen in die Welt der Anderen. Dass dies für viele Teilnehmende eine vollkommen neue und äußerst bereichernde Erfahrung war, wurde am Schluss im Plenum deutlich, als die Gespräche in den Kleingruppen gemeinsam reflektiert wurden. „Noch mehr, noch tiefer“, war der begeisterte Wunsch einer Teilnehmerin für die nächsten Dialoge, „Wenn man mit den Augen des anderen sieht, lernt man enorm!“, das Feedback eines weiteren Teilnehmers. Dass die Existenz anderer Meinungen schon an sich ein Wert darstellt, wurde ebenfalls hervorgehoben, denn ohne sie hätten wir nichts, wovon wir unsere eigene Meinung hinterfragen lassen müssten und woran wir sie reiben und überprüfen könnten.

Weitere Dialoge in Planung

Bis zum Ende des Jahres sollen noch vier weitere Dialoge durchgeführt werden. Orte und Termine werden noch bekannt gegeben.

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